Das Dhamma-Auge zu öffnen


"Buddha betrachtete, ergründete und war erleuchtet
in Bezug auf die Welt.

Hätte er nicht die Welt ergründet und verstanden,
wäre er nicht darüber hinaus gegangen.

Die Welt ist immer noch da;

Gewinn und Verlust, Lob und Kritik,
Berühmtheit und Misskredit, Wohlsein und Unwohlsein gibt es noch.

Wenn es diese Dinge nicht mehr gäbe,
wäre nichts da, woran wir erleuchtet werden könnten."


Einige beginnen mit der Praxis, aber wissen selbst nach ein oder zwei Jahren nicht, was es damit auf sich hat. Wenn man sich in der Praxis unsicher ist, sieht man nicht, dass alles um uns herum reines Dhamma ist, und sucht nach Anweisung von den Lehrern. Es kommt aber darauf an, den Geist mit Bewusstheit (Sati) aufmerksam zu beobachten, denn wenn wir weise sind, sprechen die Dinge zu uns.

Das Dhamma zeigt sich in der Natur, zum Beispiel in den Bäumen. Ein Baum entsteht auf Grund von Ursachen und wächst dem Lauf der Natur entsprechend heran. Einfach darin zeigt uns der Baum das Dhamma, aber wir verstehen es nicht. Seiner natürlichen Entwicklung entsprechend wächst er, und Knospen, Blüten und Früchte entstehen. Wir sehen nur das Erscheinen der Blüten und Früchte, sind aber nicht in der Lage, das zu durchdenken und tiefer zu blicken, und sehen auch nicht, dass sich darin das Dhamma offenbart. Wenn die Frucht erscheint, süß oder sauer, wie sie von Natur aus ist essen wir sie, ohne darüber zu reflektieren. Und auch in dem, was die Frucht uns zeigt, finden wir das Dhamma. Später werden die Blätter alt, sie verwelken, sterben und fallen ab. Wir treten auf sie und fegen sie zusammen, das ist alles. Da wir nicht gründlich betrachten und reflektieren, verstehen wir nicht, was die Natur uns offenbart. Wachsen dann die jungen Triebe und neue Blätter, wird auch das nur wahrgenommen, ohne weiter darüber nachzudenken.

Wenn wir aber all das verinnerlichen und darüber nachdenken, können wir erkennen, dass unsere eigene Geburt sich nicht von der eines Baumes unterscheidet. Nachdem unser Körper geboren wird, existiert er abhängig von Bedingungen und Elementen wie Erde, Feuer, Wasser und Luft, nimmt Nahrung auf und wächst. Alle Körperteile verändern und wandeln sich den Gesetzen der Natur entsprechend. Haare, Finger- und Fußnägel, Zähne und Haut alles verändert sich. Wir sind nicht anders als der Baum. Wenn wir die Natur betrachten, dann sehen wir auch uns selbst.

Die Menschen werden geboren, und schließlich sterben sie wieder. Nachdem sie gestorben sind, werden sie wieder geboren. Finger- und Fußnägel, Haare, Zähne und Haut sterben fortwährend und wachsen wieder nach. Wenn wir erkennen, dass es uns nicht anders ergeht als dem Baum, beginnen wir, die buddhistische Praxis zu verstehen. Die Lehre sagt, dass die äußeren und inneren Phänomene vergleichbar sind, und dass sich Dinge mit Bewusstsein und Dinge ohne Bewusstsein im Grunde nicht unterscheiden, sondern gleich sind. Wer das versteht, sieht auch, dass die Natur eines Baumes sich nicht von unseren fünf Khandhas[15] unterscheidet. Wenn wir beobachten, wie sich die Fünf Khandhas unaufhörlich verändern, können wir das Dhamma erkennen.

Egal ob wir stehen, gehen, sitzen oder liegen, Sati sollte immer über den Geist wachen und ihn beobachten. Wenn wir die Außenwelt betrachten, spiegelt sich darin auch die Innenwelt. Betrachten wir die Innenwelt, zeigt sich darin auch die Außenwelt. Wird das verstanden, haben wir die Lehre Buddha zur Kenntnis genommen, und "Der-der-weiß", die Natur des Buddha, ist in uns erwacht. Wir kennen das Äußere sowie das Innere und verstehen mit Klarheit alle Dinge, die erscheinen. Wenn wir derartiges Verständnis entwickeln, nehmen wir überall, wo wir uns befinden, die Lehre Buddhas zur Kenntnis; wir können zum Beispiel unter einem Baum sitzen und die Lehre Buddhas wahrnehmen. Ganz egal, was wir tun, im Stehen, Sitzen, Laufen und im Liegen nehmen wir die Lehre Buddhas wahr; Ob wir sehen, hören, riechen, schmecken, tasten oder denken, wir nehmen Buddhas Lehre wahr. Der Buddha ist einfach "Der-der-weiß" in uns. Dieses Wissen kennt Dhamma, es durchdringt Dhamma. Nicht der Buddha, der vor so langer Zeit gelebt hat spricht zu uns, sondern die Natur des Buddhas, "Der-der-weiß", erwacht in uns, und der Geist wird erleuchtet.

Wenn die Buddha-Natur in uns erwacht, sehen wir ein, dass es allen Erscheinungen in dieser Welt nicht anders geht als uns selbst. Wir sehen die verschiedenen Tiere, Bäume, Berge und Gewächse als nicht anders, als uns selbst; arme Leute und reiche Leute - sie unterscheiden sich nicht von uns; schwarze oder weiße Menschen - kein Unterschied! Sie sind alle gleich. Wer das versteht, erfährt Frieden, egal wo er sich befindet, denn er hört die Lehre Buddhas zu jeder Zeit. Aber wenn man das nicht versteht, kann man seine gesamte Zeit damit verbringen, die Lehren aller Dhamma-Lehrer anzuhören, und wird immer noch nicht wissen, worum es dabei geht.

Buddha sagte, die Erleuchtung oder das Erwachen zum Dhamma ist einfach das Verständnis der Natur[16] oder der Wirklichkeit, die uns umgibt. Wenn wir die Natur nicht verstehen, schwanken wir zwischen Glück und Enttäuschung hin und her und verlieren uns in Stimmungen und Launen. Sich in den geistigen Eindrücken zu verlieren, bedeutet sich in der Natur zu verlieren. Der Erleuchtete wies darauf hin, dass wir das Dhamma nicht sehen können, wenn wir uns in der Natur verlieren.

Wenn die Dinge erst einmal entstanden sind, verändern sie sich, und vergehen dann wieder. Auch die Dinge, die aus Menschenhand entstehen, wie Schüsseln, Teller, Tassen u.s.w., haben diesen Werdegang. Eine Schüssel zum Beispiel wird ins Dasein geformt auf Grund des menschlichen Impulses zu kreieren und zu benutzen. Im Laufe ihrer Existenz wird sie alt, zerbricht und verschwindet am Ende wieder. Mit Bäumen, Bergen, Tieren und Menschen verhält es sich genauso.

Als Añña Kondañña, der erste Schüler Buddhas die Lehre hörte, war seine Erkenntnis nicht sehr kompliziert. Er sah einfach, das alle Dinge, die in Erscheinung treten, sich verändern und alt werden, weil das ihr natürlicher Verlauf ist, und dass sie schließlich aufhören zu existieren und sterben. Añña Kondañña hatte das nie zuvor tiefgründig bedacht, und wenn doch, war es ihm nicht richtig klar geworden, denn er hielt immer noch an den Khandhas fest. Als er aber dasaß und achtsam dem Buddha zuhörte, erwachte in ihm die Natur des Buddhas. Er empfing eine Art Dhamma-Übertragung in der Form der tiefgründige Erkenntnis, dass alle Dinge unbeständig und vergänglich sind. Alles was geboren wird, geht den natürlichen Weg, es wird alt und stirbt.

Diese Erfahrung war völlig neu für ihn. Indem er die wahre Natur der Dinge erkannte, erwachte die Buddha-Natur in ihm. In diesem Moment erklärte Buddha: "Añña Kondañña hat das Dhamma-Auge empfangen."

Was sieht dieses "Dhamma-Auge"? Es sieht klar den Verlauf der Natur, nämlich, dass alles, das entsteht, für eine Weile existiert und dann wieder vergeht. Alles, das entsteht, bezieht sich auf sämtliche materielle und geistige Erscheinungen des Daseins, wie auch unseren Körper. Er wird geboren und schreitet dann dem Tod entgegen. Der kindliche Körper "stirbt" und wird zum Körper des Jugendlichen. Nach einer Weile verändert sich der jugendliche Körper, er "stirbt" und wird zum Körper eines Menschen mittleren Alters. Die Veränderung geht weiter, er wird älter und erreicht schließlich das Ende. Bäume, Berge, Tiere und Menschen, alle sind vergänglich.

Als Añña Kondañña dasaß und dem Buddha zuhörte, entfaltete sich in ihm das Verständnis "Dessen-der-weiß". Die tiefgründige Einsicht in das Entstehen und Vergehen der Dinge versetzte ihn in die Lage, das Festhalten am eigenen Körper aufzugeben. Das Festhalten am eigenen Körper nennt man Sakkayaditthi. Añña Kondañña sah den Körper nicht mehr als sein Selbst oder Sich-Selbst, und Sakkayaditthi hörte auf.

Daraufhin gab es für ihn auch keinen Zweifel mehr, der seine Einsicht in Frage stellen konnte. Jeglichen Zweifel, die buddhistische Praxis betreffend, nennt man Vicikiccha. Das Hängen an Aberglauben, Ritualen und Dogmen, das wir als Silabbata Paramasa bezeichnen, hatte ebenfalls aufgehört.[17] Añña Kondañña war sich seiner Praxis sicher. Auch wenn er Schmerzen empfand oder Fieber hatte, verlor er sich nicht darin, indem er daran festhielt. Wenn die Vorstellung, der Körper wäre unser Selbst, überwunden wird, lösen sich Festhalten und Zweifel auf. Solange wir aber dieser falschen Vorstellung unterliegen, sind Festhalten und Zweifel vorhanden.

Añña Kondañña sah das Dhamma, als Buddha seine Predigt hielt. Dhamma zu sehen heißt, "Der-der-weiß" erwacht in uns. Durch das Erkennen der wahren Natur der Dinge hört das Festhalten auf, und "Der-der-weiß" ist geboren. In Theorie wissen viele darüber Bescheid, aber solange noch festgehalten wird, haben sie das Dhamma noch nicht klar gesehen.

Was meinte Buddha damit, als er sagte, Añña Kondañña weiß? Nichts anderes, als dass die wahre Natur der Dinge erkannt worden war. Gewöhnlich missverstehen die Menschen die wahre Natur des Körpers und identifizieren sich mit ihm. In Wirklichkeit aber ist der menschliche Körper nur eine Ansammlung von Elementen, die einen Aspekt der Natur bilden, der abhängig von Nahrung existiert, wächst und sich verändert, bis er das Ende erreicht.

Wenn wir unsere Aufmerksamkeit nach innen richten, können wir nachvollziehen, wie das in uns, das weiß, über den Körper wacht. Wir sagen dazu, unser Bewusstsein. Wenn etwas durch die Augen ins Bewusstsein tritt, nennen wir es Sehen; wenn es durch die Ohren ins Bewusstsein tritt, nennen wir es Hören; durch die Nase ist es Riechen; über die Zunge ist es Schmecken; durch den Tastsinn des Körpers ist es Berühren; und die Formationen der Begrifflichkeit, die im Geist auftreten, nennen wir Denken. Das Bewusstsein ist nur eins, aber wenn es an verschiedenen Stellen auftritt, bezeichnen wir es unterschiedlich. Durch das Auge nennen wir es eine Sache und durch das Ohr eine andere. Ob aber etwas über die Augen, Ohren, Nase, Zunge, den Tastsinn des Körpers oder als Erscheinung im Geist ins Bewusstsein tritt, bleibt sich gleich, denn es gibt nur ein Bewusstsein. In den "Schriften" werden sechs verschiedene Arten des Bewusstseins beschrieben, aber tatsächlich ist es ein Bewusstsein, das an den sechs verschiedenen Sinnestoren in Erscheinung tritt. Es gibt sechs Türen der Wahrnehmung, aber nur ein Bewusstsein und das ist der Geist selbst.

Dem Geist wohnt die Fähigkeit inne, die wahre Natur der Dinge zu erkennen. Wenn diese Fähigkeit noch nicht entwickelt ist, wird unser Wissen durch Unwissenheit getrübt und wir sehen und verstehen falsch. Falsch zu sehen und zu verstehen oder richtig zu sehen und zu verstehen, geschieht innerhalb des Bewusstseins. Wir nennen es falsches Verständnis oder richtiges Verständnis, aber es ist im Grunde ein und dieselbe Sache, denn falsch und richtig, entstehen beide an der gleichen Stelle, im Bewusstsein. Wenn falsches Verständnis vorhanden ist, sagen wir, dass Unwissenheit die Wahrheit verbirgt. Dann sind auch unsere Ansicht, unsere Absicht, unser Handeln und unser Unterhalt falsch - alles ist falsch! Andererseits entsteht der Weg der richtigen Praxis an der gleichen Stelle (im Bewusstsein). Wenn das "Richtige" erscheint, verschwindet das "Falsche".

Buddha praktizierte, indem er viel Ungemach auf sich nahm; zum Beispiel quälte er sich mir Fasten. Doch ergründete er den Geist in seiner gesamten Tiefe, bis er schließlich die Unwissenheit überwunden hatte. Alle Buddhas waren im Geiste erleuchtet. Der Körper weiß nichts, und es ist egal ob wir ihn ernähren oder nicht, er kann jeder Zeit sterben. Die Buddhas trainierten den Geist, sie waren erleuchtet im Geist.

Nachdem Buddha den Geist ergründet hatte, gab er es auf sich im Vergnügen und in schmerzhaften Gefühlen gehen zu lassen und hielt die erste Lehrrede über den Weg der Mitte. Wenn wir diese Lehre vernehmen, werden wir feststellen, dass sie gegen unsere Gewohnheiten und Gelüste geht, denn wir sind betört durch Vergnügen und Annehmlichkeiten. Wir wollen Glückseligkeit und denken, dass wir gut und edel sind. Das ist, sich gehen zu lassen im Vergnügen. Es ist nicht der richtige Weg. An Unzufriedenheit, Unannehmlichkeit, Hass und Ärger festzuhalten, ist sich gehen zu lassen in schmerzhaften Gefühlen. Die richtige geistige Einstellung besteht jedoch darin, diese beiden "Wege" zu vermeiden.

Die beiden "Wege" entsprechen dem Wohlsein und Unwohlsein. Derjenige, der den Wegen folgt, ist der Geist. Wenn ein angenehmes Gefühl entsteht, mögen wir es, und halten daran fest. Das bedeutet, wir lassen uns im Vergnügen gehen. Entsteht ein unangenehmes Gefühl, halten wir daran fest in Form von Abneigung. Das bedeutet, wir lassen uns in schmerzhaften Gefühlen gehen. Für den Meditierenden sind das die falschen Wege. Die Weltlinge aber fühlen sich auf diesen Wegen Zuhause, denn sie suchen nach Vergnügen und Wohlsein und wollen Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten vermeiden.

Die Weisen erkennen die falschen Wege und geben sie auf. Sie lassen sich nicht von Vergnügen und Unannehmlichkeit oder Wohlsein und Unwohlsein bewegen. Diese Zustände treten auf und nehmen ihren natürlichen Verlauf, aber sie halten sie nicht fest. Sie lassen sie einfach vorübergehen, ohne ihnen besondere Bedeutung beizumessen. So äußert sich richtiges Verständnis. Wenn jemand das richtige Verständnis hat, erreicht er die Freiheit von Leiden. Für den Erleuchteten haben Wohlsein und Unwohlsein keine Bedeutung.

Buddha sagte, dass die Erleuchteten von geistigen Unreinheiten weit entfernt sind. Das heißt nicht, dass sie vor den geistigen Unreinheiten weggelaufen sind. Sie sind nirgendwohin davongelaufen, denn durch Weglaufen kann man ihnen nicht entkommen. Er verglich sie mit einem Lotusblatt in einem Teich. Das Lotusblatt und das Wasser existieren zusammen und berühren einander, aber das Blatt nimmt kein Wasser auf. Das Wasser ist wie die geistigen Unreinheiten und das Lotusblatt wie der erleuchtete Geist.

Wenn wir die buddhistische Lehre praktizieren, verlieren wir uns nicht in den geistigen Eindrücken, sondern bleiben ausgeglichen. Wohlsein und Unwohlsein, Zufriedenheit und Unzufriedenheit, gut und böse, richtig und falsch entstehen und werden zur Kenntnis genommen. Der Meditierende erkennt diese Dinge, aber hält sie nicht fest. Er ist nur derjenige, der die Erfahrung macht, der zur Kenntnis nimmt. Zu sagen, er macht die Erfahrung, ist der herkömmliche Sprachgebrauch. In der Sprache des Dhamma sagt man, er folgt dem mittleren Weg.

Fortwährendes Entstehen und Vergehen von Wohlsein und Unwohlsein oder Zufriedenheit und Unzufriedenheit ist die Charakteristik der Welt.[18] Buddha betrachtete, ergründete und war erleuchtet in Bezug auf die Welt. Hätte er nicht die Welt ergründet und verstanden, wäre er nicht darüber hinausgegangen. Die Welt ist immer noch da; Gewinn und Verlust, Lob und Kritik, Berühmtheit und Misskredit, Wohlsein und Unwohlsein gibt es noch. Wenn es diese Dinge nicht mehr gäbe, wäre nichts da, woran wir erleuchtet werden könnten. Buddha durchschaute genau die Welt, die den Geist der Menschen einnimmt. Wer Gewinn, Lob, Berühmtheit und Wohlsein sucht und danach trachtet die unangenehme Gegenseite dieser Dinge zu meiden, versinkt unter dem Gewicht der Welt.

Gewinn und Verlust, Lob und Kritik, Berühmtheit und Misskredit, Wohlsein und Unwohlsein - das ist die Welt. Sie folgt dem Gesetz des Dhammas, wir nennen das weltliches Dhamma. Wer in der Welt verloren ist, findet den Weg nicht wieder heraus. Sie überwältigt und erdrückt ihn, denn im weltlichen Dhamma zu leben, bedeutet, von Verwirrung und Durcheinander umgeben zu sein.

Deshalb lehrte uns Buddha, den Geist zu trainieren und dem Weg zu folgen, der aus Tugend, Sammlung und Weisheit besteht. Diese drei Aspekte müssen wir entwickeln, bis sie vollkommen sind, denn sie sind der Weg, der die "Welt" zerstört. Wo finden wir die Welt? Wir finden sie im Geist der Wesen, die betört sind von ihr. Sie binden sich an die Welt, indem sie an Gewinn, Lob, Berühmtheit und Wohlsein festhalten. Wo festgehalten wird ist auch die Welt. Sie entsteht auf Grund von Begehren. Begehren zu überwinden, bedeutet die "Welt" zu überwinden.

Unsere Praxis, die aus Tugend, Sammlung und Weisheit besteht, wird auch der edle achtfache Weg genannt. Die acht weltlichen Dhammas[19] und der achtfache Weg sind ein Paar. Den "Schriften" nach sind Gewinn und Verlust, Lob und Kritik, Berühmtheit und Misskredit, Wohlsein und Unwohlsein die acht weltlichen Dhammas. Rechtes Verständnis, rechte Zielsetzung, rechtes Sprechen, rechtes Handeln, rechter Lebensunterhalt, rechtes Bemühen, rechte Achtsamkeit und rechte Konzentration bilden den achtfachen Weg. Die beiden "achtfachen" Wege existieren am gleichen Ort. Die acht weltlichen Dhammas befinden sich im menschlichen Geist zusammen mit "Dem-der-weiß". Aber "Der-der-weiß" ist durch Unwissenheit behindert. Er versteht falsch und wird deshalb in die Welt hineingezogen. Er "wird" die Welt, das heißt, der Geist hat sich nicht von der Welt zurückgezogen, sondern ist von ihr eingenommen; die Buddha-Natur ist nicht erwacht.

Gehen wir den Weg der Praxis, indem wir unser Handeln und Sprechen disziplinieren, so geschieht das dort, wo auch die acht weltlichen Dhammas anzutreffen sind, nämlich im Geist. Dort begegnen sich die beiden Wege, das heißt, der Weg der Praxis sieht die "Welt". Wenn wir unseren Geist aufmerksam betrachten, können wir unser Festhalten an den weltlichen Dingen erkennen und beobachten, wie wir uns durch Gewinn, Lob, Berühmtheit und Wohlsein bewegen lassen.

Buddha sagte: "Man muss die Welt durchschauen. Sie blendet uns, und wir halten sie für eine königliche Prachtkutsche. Die Dummen sind entzückt und hingerissen, aber die Weisen lassen sich nicht irreführen." Er hielt uns nicht dazu an, um die ganze Welt zu reisen und alles darüber zu lernen, sondern unseren Geist zu betrachten, der an der Welt festhält. Die Aufforderung, die Welt zu verstehen, ist auch eine Warnung, uns nicht darin zu verlieren. Wir müssen die Welt ergründen, die in jedem Moment erneut in uns geboren wird. Unter einem schattigen Baum sitzend, können wir die Welt betrachten, wenn wir mit Bewusstheit den Geist beobachten. Wenn Begehren auftaucht, entsteht die Welt in diesem Moment. Begehren ist der Geburtsort der Welt. Begehren zu überwinden, bedeutet die Welt zu überwinden.

Manchen Leuten geht es so: Wenn sie in Meditation sitzen, wollen sie, dass der Geist zur Ruhe kommt, aber er tut es nicht. Sie wollen nicht denken, aber es kommen dauernd irgendwelche Gedanken. Es geht ihnen wie jemandem, der auf einem Ameisenhaufen sitzt und fortwährend von den Ameisen gebissen wird. Wenn der Geist an der Welt festhält, sehen sie nur die Welt, selbst wenn sie still sitzen und die Augen schließen. Vergnügen, Sorgen, Angst, Verwirrung - alles kommt zum Vorschein.

Warum ist das so? Weil sie das Dhamma nicht kennen. Wenn der Geist sich in diesem Zustand befindet, kann der Meditierende die weltlichen Dhammas nicht ertragen und ist auch nicht in der Lage, sie zu ergründen. Es ist, wie auf einem Ameisenhaufen zu sitzen. Die Ameisen beißen, denn man sitzt genau auf ihrem Zuhause. Was soll man machen? Ein Gift suchen, das die Ameisen tötet, oder Feuer machen, um sie zu zerstören?

Die meisten, die mit der Praxis beginnen, verstehen nicht richtig, worum es dabei geht. Sind sie zufrieden, folgen sie der Zufriedenheit. Sind sie unzufrieden, folgen sie einfach der Unzufriedenheit. Wenn sie den weltlichen Dhammas folgen, versinkt der Geist in der Welt. Manchmal denken sie vielleicht: "Oh, ich kann das nicht, es ist zu schwierig für mich", und so versuchen sie es überhaupt nicht. Das passiert, weil der Geist voller Unreinheiten ist. Die weltlichen Dhammas verhindern, dass der Weg der Praxis entsteht, und sie können die Entwicklung von Tugend, Sammlung und Weisheit nicht ertragen. Es geht ihnen wie dem Mann, der auf dem Ameisenhaufen sitzt. Er ist versunken in Erregung und Verwirrung, denn er kann nichts dagegen tun, dass die Ameisen über ihn her krabbeln und ihn beißen. Weil er seinen Sitzplatz nicht von der Gefahr befreien kann, sitzt er nur da und leidet.

Das passiert am Anfang der Praxis. Die weltlichen Dhammas beherrschen den Geist des weltlichen Menschen. Wenn er Frieden finden will, wird er durch sie gestört. Der Geist, der mit Unwissenheit belastet ist, versinkt in Dunkelheit. Entfaltet sich aber Weisheit, werden wir erleuchtet. Doch Unwissenheit und Wissen existieren an der gleichen Stelle. Wissen kann nicht eintreten, wenn Unwissenheit akzeptiert wurde. Wenn Wissen entstanden ist, kann Unwissenheit nicht verbleiben.

Buddha hielt seine Schüler an, den Geist zu trainieren, denn die Welt besteht in unserem Geist. Dort sind die acht weltlichen Dhammas anzutreffen. Der achtfache Weg, das heißt, Ergründung der Dinge durch Ruhe und Einsicht, unsere fleißige Anstrengung und die Weisheit, die wir entwickeln, verringert die Macht, die die Welt über uns hat. Begierde, Widerwille und Verblendung werden schwächer, und wir sind uns dessen bewusst. Wenn wir materiellen Gewinn, Berühmtheit, Lob und Vergnügen als Wohlsein empfinden oder Leiden erleben, sind wir uns dessen bewusst. Die Welt lebt in uns, und wir müssen sie erst einmal erkennen, bevor wir über sie hinaus schreiten können.

Sich von der Welt zu befreien, kann man damit vergleichen, ein Haus zu verlassen. Was Für ein Gefühl ist es, in ein Haus einzutreten? Wir haben das Empfinden, durch die Tür gekommen zu sein und das Haus betreten zu haben. Verlassen wir aber das Haus, kommen wir in den hellen Sonnenschein, und es ist nicht mehr dunkel, wie es im Inneren war. Den weltlichen Dhammas zu folgen, ist wie das Betreten des Hauses, das Loslassen der weltlichen Dhammas wie das Verlassen.

Die Praxis besteht darin, das Dhamma in uns zu sehen, denn wir wissen für uns selbst, ob die weltlichen Dhammas anwesend sind und ob der Weg der richtigen Praxis entstanden ist oder nicht. Ist der Weg der Praxis entstanden, befreit er den Geist von den weltlichen Dhammas und wird dabei zunehmend stärker. Richtiges Verständnis wächst, während falsches Verständnis abnimmt, bis der Weg der Praxis schließlich die geistigen Unreinheiten völlig zerstört - entweder das, oder die geistigen Unreinheiten zerstören den Weg.

Richtiges Verständnis oder falsches Verständnis, es gibt nur diese beiden Möglichkeiten. Falsches Verständnis kann uns überlisten, denn es hat eine Weisheit für sich, aber es ist fehlgeleitete Weisheit. Wer mit der Übung der buddhistischen Praxis beginnt, erlebt eine Spaltung in sich. Es kommt ihm vor, als wäre er zwei Personen - die eine steckt tief in der Welt, und die andere befindet sich auf dem Weg der Praxis. Diese beiden Seiten in ihm trennen sich und ziehen auseinander. Immer wenn er sich in bewusster Selbstbetrachtung übt, entsteht diese Trennung und geht weiter und weiter, bis er Vipassana (klare Einsicht) erreicht.

Oder vielleicht ist es Vipassaná?[20] Nachdem wir Fortschritte in unserer Praxis bemerken, halten wir daran fest. Das Festhalten kommt durch das Begehren nach Erfolg in unserer Übung. Man bezeichnet das als Vipassaná, die Weisheit der geistigen Unreinheiten (oder getrübte Weisheit). Manch einer entwickelt Güte oder Reinheit, und hält daran fest, andere entwickeln Wissen, und halten daran fest. Das Festhalten an Güte oder Weisheit ist Vipassaná, das unsere Praxis unterwandert.

Wenn wir also Vipassana, klare Einsicht, entwickeln, müssen wir vorsichtig sein und auf Vipassaná aufpassen. Beide sind so dicht beieinander, dass man sie manchmal nicht auseinander halten kann. Doch wenn wir richtiges Verständnis haben, können wir sie klar voneinander unterscheiden. Handelt es sich um Vipassaná, wird zu gegebener Zeit als Resultat Leiden entstehen. Bei wirklichem Vipassana entsteht kein Leiden, denn Wohlsein und Unwohlsein kommen zur Ruhe und Frieden setzt ein. Das können wir selbst erkennen.

Die Praxis braucht Ausdauer. Einige Leute kommen hierher, um zu praktizieren, aber sie wollen sich keine Mühe machen und mir nichts mehr auseinander setzen. Doch es gibt weiterhin Auseinandersetzung. Um zu einem Ende der Auseinandersetzung zu kommen, müssen wir uns mit den Dingen auseinander setzen.

Wenn also Reibung beim Training des Geistes entsteht, ist das richtig. Gibt es sie nicht, ist es verkehrt; dann schlafen und essen wir einfach soviel, wie wir wollen, und wenn wir irgendwohin gehen oder irgend etwas sagen wollen, folgen wir einfach unserem Begehren. Tatsächlich aber ist die Praxis der Lehre Buddhas aufreibend. Das Überweltliche geht gegen das Weltliche, richtiges Verständnis widersetzt sich falschem Verständnis, Reinheit widersetzt sich der Unreinheit. Die Lehre reibt sich gegen unsere Begehren.

Die "Schriften" berichten von einem Ereignis vor Buddha-Gautamas Erleuchtung. Er hatte einen Teller Reis bekommen und ließ diesen Teller auf dem Wasser eines Flusses schwimmen. Dabei dachte er sich: "Wenn es mir gelingt, erleuchtet zu werden, dann möge dieser Teller gegen den Fluss stromaufwärts schwimmen." Der Teller schwamm stromaufwärts! Dieser Teller war Buddhas richtiges Verständnis oder die Buddha-Natur, zu der er erwachte. Er folgte nicht dem Begehren der gewöhnlichen Menschen, sondern ging in jeder Hinsicht gegen den Strom des Geistes.

Auch heutzutage ist Buddhas Lehre immer noch dem Strom der Welt entgegengesetzt. Die Menschen wollen sich in Habgier und Hass gehen lassen, doch die Buddha-Natur lässt das nicht zu. Sie möchten irregeführt werden, aber Buddha zerstört die Verblendung. Der Geist Buddhas steht im Widerspruch zum weltlichen Menschen. Die Welt sagt, der Körper ist schön. Doch Buddha sagt, er ist es nicht. Sie sagen, der Körper gehört uns. Er sagt, nein. Sie sagen, er ist etwas Substantielles. Er sagt, das dem nicht so ist. Richtiges Verständnis geht über die Welt hinaus. Weltliche Menschen folgen einfach nur dem Fluss des Stromes.

Doch fahren wir mit dem Gleichnis fort. Nachdem Buddha weiter gezogen war, erhielt er acht Büschel Gras von einem Brahmanen. Diese acht Büschel Gras stellen die acht weltlichen Dhammas dar - Gewinn und Verlust, Lob und Kritik, Berühmtheit und Misskredit, Wohlsein und Unwohlsein. Buddha setzte sich auf das Gras und vertiefte sich in Samadhi. Sich auf das Gras zu setzen, und sich dadurch über den weltlichen Dhammas zu befinden, war in sich selbst Samadhi. Die weltlichen Dhammas waren wie Abfall für ihn, sie verloren all ihre Bedeutung und wurden verdrängt, bis er das Überweltliche erkannte. Er saß über ihnen, aber sie konnten ihn in keiner Weise beirren. Die verschiedenen Maras[21] kamen und versuchten ihn zu verführen, aber er saß da in Samadhi und verbannte die Welt, bis er schließlich die Erleuchtung erfuhr, wobei er das Dhamma erkannte und über die Welt hinausging.

Das richtige Training des Geistes zielt darauf ab, die Welt zu besiegen, oder wir können es auch anders formulieren und sagen, die Praxis besteht darin, die geistigen Unreinheiten zu beseitigen.

Heutzutage haben die Leute wenig Vertrauen in die Lehre. Nach ein- oder zweijähriger Praxis wollen sie das Ziel erreicht haben. Sie erwarten schnellen Erfolg und bedenken nicht, dass Buddha, unser Lehrer, sein Zuhause verlassen hatte und sechs Jahre umher zog bevor er die Erleuchtung erreichte. Deshalb gibt es die Regel über die "Freiheit von Abhängigkeit", die besagt, dass ein neuer Mönch für mindestens fünf Regenzeiten (d.h. fünf Jahre lang) unter der Führung eines älteren Lehrers leben und praktizieren muss, ehe er in der Lage ist, auf sich allein gestellt (d.h. frei von Abhängigkeit) zu praktizieren. Nach dieser Zeit hat er genug studiert und praktiziert. Sein Wissen sowie das Vertrauen in die Lehre haben sich angemessen entwickelt, und sein Verhalten ist gut. Ich sage, jemand, der fünf Jahre praktiziert hat, ist kompetent. Aber er muss wirklich praktizieren und nicht nur fünf Jahre im Mönchsgewand herumhängen. Er muss wirklich üben und den Weg der Praxis verwirklichen!

Bevor ihr die fünf Regenzeiten erreicht habt, werdet ihr euch wundern, was es mit dieser "Freiheit von Abhängigkeit" auf sich hat, von der Buddha sprach. Ihr müsst wirklich versuchen, fünf Jahre lang den Geist zu trainieren, dann werdet ihr selber wissen, worum es sich bei diesen Qualitäten handelt, die er meinte. Nach fünf Jahren sollte man fachkundig sein, das heißt, kompetent in den Angelegenheiten des Geistes; jemand, der sicher und ausgeglichen ist. Zumindest solltet ihr nach fünf Jahren die erste Stufe der Erleuchtung erreicht haben. Es sind nicht nur fünf Regenzeiten für den Körper, sondern auch für den Geist, und nach dieser Zeit hat ein Mönch ein heilsames Schamgefühl, das heißt, er ist bescheiden und hat Angst vor Tadel. Er wagt es nicht, Falsches zu tun, weder vor den Augen der Leute noch hinter ihrem Rücken. Und warum nicht? "Der-der-weiß" ist in ihm erwacht. Er hat den Buddha erreicht. Wir sagen dazu auch, er nimmt Zuflucht in "Buddha, Dhamma, und Sangha."[22]

Um uns wirklich auf "Buddha, Dhamma und Sangha verlassen zu können, müssen wir den Buddha (in uns) erkennen. Was würde es nützen, in Buddha Zuflucht[23] zu nehmen, wenn wir ihn nicht kennen? Unsere Zufluchtnahme wäre bloß eine Handlung des Körpers und der Sprache. Der Geist ist nicht mit einbezogen. Wenn wir "Buddha, Dhamma und Sangha" klar erkennen und verinnerlichen, wissen wir, worum es sich dabei handelt, und können darin Zuflucht nehmen. Wo immer wir uns dann befinden, sind "Buddha, Dhamma und Sangha" mit uns.

Wer "Buddha, Dhamma und Sangha" klar erkannt hat, wagt es nicht mehr, Böses zu tun. Es wird gesagt, dass jemand, der die erste Stufe der Erleuchtung erreicht hat, nicht mehr in den elenden Zuständen wiedergeboren wird. Er ist sich sicher, das heißt, es gibt keine Zweifel (den Weg der Praxis betreffend) mehr für ihn. Man sagt, er ist in den Strom eingetreten, der zum Nibbana führt. Wenn er auch die volle Erleuchtung noch nicht heute erreicht hat, so tut er es mit Sicherheit in der Zukunft. Er mag Falsches tun, aber er wird nicht auf böse Aktivitäten des Körpers und der Sprache zurückgreifen, weil er dessen unfähig ist. Wir sagen, diese Person hat die edle Geburt erreicht und kann nicht zurückkehren. Das sollte von euch in diesem Leben erreicht werden.

Diejenigen, die noch Zweifel an der Praxis haben, werden sich fragen: "Wie können wir das erreichen?" Manchmal fühlen sie sich glücklich, manchmal besorgt, manchmal sind sie zufrieden und manchmal unzufrieden. Warum? Sie kennen das Dhamma nicht. Welches Dhamma? Die Wahrheit des Körpers und des Geistes, die Wirklichkeit in uns und um uns herum.

Buddha sagte: "Hängt nicht an den fünf Khandhas (Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Denken und Bewusstsein), lässt sie los, gebt sie auf." Warum aber können wir sie nicht loslassen? Weil wir ihre wahre Natur nicht klar erkannt haben und sie nicht richtig verstehen. Wir verlieren uns in den Khandhas und sehen sie als unser Selbst. Ebenso sehen wir Glückseligkeit und Leiden als unser Selbst und identifizieren uns damit. Wir, können uns davon nicht trennen. Wenn wir die fünf Khandhas nicht auseinander halten können, verstehen wir nicht die wahre Natur der Dinge.

Wohlsein und Unwohlsein, Vergnügen und Traurigkeit - keines dieser Dinge sind wir selbst, doch wir identifizieren uns damit. Sie treten mit uns in Kontakt und wir sehen sie als Atta, ein Selbst (unser Selbst). Wo ein Selbst ist, finden wir auch Wohlsein, Unwohlsein und die anderen weltlichen Dhammas. Buddha sagte, dass wir die Anhäufungen von Selbst(vorstellungen) zerstören müssen. Wenn Atta (Selbst) zerstört ist, entsteht von Natur aus Anatta (das Selbstlose).

Weil wir sie nicht wirklich verstehen, sehen wir die Erscheinungen der Natur als uns Selbst. Geht es uns gut, lachen wir. Wenn es uns schlecht geht, weinen wir. Doch die Natur besteht einfach nur aus Sankharas (vorübergehende Erscheinungen). Wir rezitieren in unseren Gebeten die Formel, "Tesam Vupusamo Sukho" - "Die Sankharas zur Ruhe zu bringen, ist wirkliche Glückseligkeit". Aber wie bringen wir sie zur Ruhe? Wir sehen einfach, wie sie wirklich sind, und vermeiden das Festhalten.

Tatsächlich ist Wahrheit in der Welt. Bäume, Berge und Gewächse leben alle gemäß ihrer eigenen Wahrheit, sie entstehen und vergehen gemäß der Natur. Es sind nur die Menschen, die nicht "wahr" sind. Sie sehen die Dinge und regen sich darüber auf, doch die Natur ist unleidenschaftlich, sie ist einfach, wie sie ist. Wir lachen, wir weinen, wir töten, aber die Natur verbleibt in Wahrheit; sie ist Wahrheit. Egal wie glücklich oder traurig wir sind, der Körper folgt nur seiner eigenen Natur. Nach seiner Geburt, wächst er heran, verändert sich und wird fortwährend älter. Das ist der Lauf der Natur. Wer sich mit dem Körper identifiziert, und darin sein Selbst sieht, muss leiden.

Als Añña Kondañña erkannte, dass alles was entsteht, auch wieder vergeht, nahm er die Wahrheit in sich auf, und seine Einstellung zur Welt änderte sich. Das "Entstehen" und "Vergehen" der Phänomene ging weiter, aber er nahm es einfach unbewegt zur Kenntnis. Wenn Wohlsein und Unwohlsein kamen und vergingen, nahm er das nur zur Kenntnis und hielt nicht daran fest. Sein Geist war beständig. Er fiel nicht mehr in die elenden Zustände zurück, sondern war fest etabliert in der Fähigkeit der Selbstbetrachtung. Añña Kondañña war nicht übermäßig erfreut oder beunruhigt über die Dinge, denn er hatte das Dhamma erkannt, indem er die natürlichen Erscheinungen, die wir als Sankharas bezeichnen, in ihrer Wirklichkeit sah. Weisheit liegt im Erkennen der wahren Natur der Sankharas. Wer das Dhamma-Auge empfängt, gibt die Welt auf.

Bis wir das Dhamma erkannt haben, müssen wir geduldig und zurückhaltend sein. Es gibt Dinge, die wir aushalten müssen, und Dinge, die wir aufgeben müssen. Deshalb ist es wichtig, Fleiß und Ausdauer zu kultivieren. Warum müssen wir Fleiß kultivieren? Weil wir faul sind! Warum müssen wir Ausdauer kultivieren? Weil wir nichts ertragen können! Aber wenn wir bereits Fuß gefasst haben in unserer Praxis und die Faulheit überwunden ist, brauchen wir keinen Fleiß mehr. Haben wir bereits die Wahrheit der geistigen Zustände erkannt, brauchen wir auch keine Ausdauer mehr, denn wir sind schon eins geworden mit dem Dhamma. "Der-der-weiß" hat das Dhamma erkannt, er ist Dhamma.

Wenn der Geist eins geworden ist mit Dhamma, wird er still. Frieden ist erreicht. Es ist nicht mehr nötig, noch irgend etwas Spezielles zu tun, denn der Geist ist bereits Dhamma. Das Äußere ist Dhamma, das Innere ist Dhamma. "Der-der-weiß" ist Dhamma. Der Zustand ist Dhamma, und das, was den Zustand sieht, ist Dhamma; es ist eins. Die Befreiung ist eingetreten.

Diese "Buddha-Natur" ist nicht geboren und stirbt auch nicht; sie wird nicht alt oder krank; sie ist weder glücklich noch unglücklich, weder groß noch klein, weder schwer noch leicht, weder kurz noch lang, weder schwarz noch weiß. Es gibt nichts, mit dem wir sie vergleichen können. Deswegen sagen wir, Nibbana ist farblos. Die Farben sind Konventionen, doch der Zustand jenseits der Welt geht über die Konventionen hinaus.

Dhamma geht über die Welt hinaus. Jeder muss es für sich selbst erkennen, denn es ist jenseits von Sprache und Kommunikation. Man kann es nicht in Worte kleiden, sondern nur über Wege und Mittel reden, es zu verwirklichen. Wer es verwirklicht, hat seine Aufgabe erfüllt.



Fußnoten

[15] Die fünf Khandhas sind die fünf Aggregate, die den "Menschen" bilden: Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Denken und Bewusstsein.

[16] Unter Natur sind hier alle Dinge überhaupt, physische sowie geistige, zu verstehen und nicht nur Pflanzen, Tiere u.s.w.

[17] Buddha beschrieb zehn Fesseln, die den Menschen an die Welt binden. Die ersten drei dieser Fesseln, von denen wir uns zu befreien haben, sind Sakkayaditthi, das Festhalten am eigenen Körper als "Selbst", Vicikiccha, Zweifel jeglicher Art die Praxis betreffend und Silabbata Paramasa, das Festhalten an Aberglauben, Ritualen und Dogmen. Jemand, der sich von diesen drei Fesseln befreit, erreicht die erste Stufe der Erleuchtung und wird als "In den Strom Eintretender" bezeichnet. (Strom-Eintritt bezieht sich auf den Strom, der ins Nibbana fließt.) Der vollkommen Erleuchtete hat alle zehn Fesseln abgestreift.

[18] Unter "Welt" versteht man im Buddhismus nicht nur den Planeten Erde oder irgend eine bestimmte Ebene des Daseins, sondern sämtliche Dinge auf allen Ebenen der phänomenalen Existenz.

[19] Hier bedeutet Dhamma Phänomen oder Erscheinung. Um die vielschichtige Bedeutung des Wortes Dhamma noch einmal vor Augen zu Führen, empfiehlt es sich, die Fußnote Nr. 3 noch einmal zu lesen.

[20] Vipassaná oder Vipassanupakkilesa - die subtilen geistigen Unreinheiten, die in der Meditations-Praxis entstehen.

[21] Mara (die Versuchung), die buddhistische Personifizierung des Bösen. Für den Meditierenden bedeutet Mara: Alle Hindernisse, die auf dem Weg zur Erleuchtung erscheinen.

[22] Sangha: Die Gemeinschaft der Schüler Buddhas. (Herkömmlich: alle buddhistischen Mönche. Idealistisch: alle die, die den Buddhismus praktizieren, ob Mönch oder Laie, die die erste Stufe der Erleuchtung erreicht haben.)

[23] Die Zufluchtnahme in "Buddha, Dhamma und Sangha" will als Gebetsformel in Pali, der Sprache Buddhas, von Laien und Mönchen in Thailand häufig rezitiert. Worauf der ehrwürdige Ajahn hier anspricht, ist das leere Rezitieren der Formel, ohne wirklich zu verstehen, worum es geht, im Gegensatz zur Zufluchtnahme des Geistes, der Dhamma erkannt hat.



© Dhammapala Verlag (& Die Sangha, Wat Pah Nanachat)

Kloster Dhammapala, Am Waldrand, CH-3718 Kandersteg, Schweiz